physikalische Grundlagen

Hier möchte ich darstellen, was physikalisch am Vakuumfutter passiert und was das für bemerkenswerte Konsequenzen beim konkreten Einsatz beim Drechseln hat.

Hier muss ich natürlich ein paar physikalische Größen und Formeln einführen, damit wir die zugrundeliegende Physik verstehen können. Wen das Verständnis der Zusammenhänge nicht interessiert, der stürze sich direkt auf die Beispiele und die Tabelle; diese vermitteln zumindest ein Gefühl für das Geschehen.


zum Funktionsprinzip ...

... mal so erzählt ...

... physikalisch ...    (auch mal mit Augenzwinkern)

Aus Gründen der Anschaulichkeit verwende ich die lange veralteten Einheiten "bar" für Druck und "kilopond" (kp) für Kraft.

  • 1 kp   =    9,8 N („Newton“) und
  • 1 mbar = 1 hPa („Hektopascal“) bzw.
  • 1 bar = 1000 hPa = 100000 Pa („Pascal“)

Kraft und Masse:

Ein Kilopond ist die Kraft, mit der ein Kohlkopf mit einer Masse von 1 kg an der Einkauftasche zieht; er wiegt 1 kp. Und wir sagen (physikalisch falsch, aber griffig): er wiegt 1 kg.

Daher benutze ich richtig (aber veraltet) das kp, weil es dasselbe scheint, wie kg.  (denn wer - zumindest unter den Älteren - kann mit einem Gewicht von 9,8N etwas anfngen ?)

Gewicht ist eine Kraft, nicht Masse.

Wer auf dem Mond einen Kohlkopf mit der Masse 1 kg kaufen würde, sähe seine Einkauftasche nur mit 1/6 kp belastet; aber das können wir erstmal wieder vergessen.

Druck:

Druck ist, wenn eine Kraft auf eine bestimmte Fläche wirkt.

Luftdruck ist, wenn das Gewicht unserer Atmosphäre auf die Dinge unter ihr drückt. Wir nehmen diesen Druck gar nicht wahr, weil wir ihn gewöhnt sind bzw. unser Körper (bzw. sein Innendruck) auf genau diesen Druck eingestellt ist. Schnelle, wenngleich kleine Druckveränderungen (im Aufzug oder beim Tauchen) können wir dagegen sehr wohl wahrnehmen, weil unser Körper seine innern Druckverhältnisse dann erst umstellen müsste. Nur wenn der Druck innen und außen gleich ist, „passiert“ nichts. Ansonsten erzeugt der Druckunterschied eine Kraft.

Mit einem Vakuumfutter können wir die Luft z.B. unter einer Schale abpumpen und den Luftdruck dort verringern; der höhere Außendruck drückt dann die Schale ins Futter; der Druckunterschied erzeugt die Andruckkraft.

Druck = Kraft / Fläche

Kraft = Druck * Fläche

Wenn der Druck im Vakuumfutter geringer ist, als außen entsteht dadurch eine andrückende Kraft, die proportional der Druckdifferenz und auch (im Falle des Vakuumfutters) proportional der Größe der Schale ist.

Die Andruckkraft F ist:
F = dp  *  (D/2)²  *  pi

mit

  • F = Andruckkraft (in kp)
  • dp = Differenzdruck zwischen Druck außen und im Vakuumfutter (in bar)
  • D = Durchmesser des Drehlings (dort, wo die Dichtung ansetzt) (in cm)
  • (D/2)² * pi  =  Querschnittsfläche der Schale
  • pi = 3,14

Der Luftdruck beträgt ungefähr 1 bar (oder 1000 mbar) und  schwankt bekanntlicherweise. Die genauen Kräfte im Vakuumfutter hängen auch von diesem Außendruck ab. Bei schönem Wetter (im Hochdruckgebiet) ist der Außendruck etwas größer als sonst; die Andruckskraft ist damit auch etwas größer.

Wenn man mit einer Vakuumpumpe aus einem Gefäß alle Luft entfernt, erhält man dort einen Druck von 0 bar (weniger geht nicht !); die Druckdifferenz ist also maximal der Atmosphärendruck; entsprechend ist auch die Andruckkraft begrenzt.

Drechseln auf dem Mond mit einem Vakuumfutter wird also schwierig, weil außen ja sowieso schon Vakuum (Druck 0) herrscht; damit gibt es keinen Differenzdruck und somit keine Andruckkraft.

Natürlich könnte man zusätzlich zum Vakuumfutter den Druck in der Werkstatt erhöhen; damit wären größere Andruckkräfte zu erzielen, …      ;-)

Vorsicht ist beim Drechseln während eines Sturmtiefs geboten. Dann kann der Luftdruck unter 900mbar sinken, somit fehlen schon einmal mindestens 10% der Andruckkraft.      ;-)

Druck im Vakuumbereich wird in der Regel als Absolutdruck angegeben, d.h. als der Druck über dem absoluten Minimum ( 0 bar, an dem keinerlei Gase mehr vorhanden sind).

Mit dem Begriff Unterdruck bezieht man sich dagegen nicht auf null, sondern auf den herschenden Luftdruck; der "Unterdruck" ist dann der Differenzdruck zwischen außen und innen.

z.B.     0,8 bar Unterdruck   =   - 0.8 bar   =   0,2 bar(absolut)

Letzteres stimmt nur für einen Luftdruck von genau 1000 mbar. Bei einem Luftdruck von 900 mbar gälte:

- 0,8 bar   =   0,1 bar(absolut)


Am Vakuumfutter muß einerseits eine hinreichend große Andruckkraft erzeugt werden, damit das Werkstück sicher gehalten wird, andererseits darf die Andruckkraft nicht so groß sein, dass das Werkstück zerstört wird. Wie wir sehen werden, spielen beide Punkte eine Rolle.

Die Werte für Druck und Kraft in den Beispielen sind mit der o.g. Formel berechnet und finden sich auch in der weiter unten gezeigten Tabelle.

Beispiele:

  • eine Schale mit 15cm Durchmesser wird bei einem Unterdruck von 0,5 bar mit einer Kraft von ca. 90 kp („= 90 kg“) gegen das Futter gedrückt ! Die reißt man nicht mehr ab; das ist, wie wenn sich ein kräftiger Kerl auf den Schalenboden stellt.
  • eine Schale mit 30cm Durchmesser wird bei 0,5 bar schon mit ca. 350 kp angedrückt; das wird schon langsam schwierig für die Schale, selbst bei nicht sehr dünner Wandstärke. Ein Unterdruck von 0,1 bar genügt bereits für 70 kp Andruckkraft.
  • ein Ei mit 4cm Durchmesser (an der Dichtlippe) wird dagegen bei 0,5 bar mit nur 6 kp angedrückt; da wird schon ein kräftiger Span für ein Flugei reichen. Da möchte man schon wenigstens mit 0,9 bar Unterdruck arbeiten, das gibt wenigstens 11 kp.

Aus den Beispielen ergibt sich, dass die Vakuumpumpe einen möglichst guten Enddruck erreichen können sollte (< -0,9 bar), um auch möglichst kleine Objekte sicher spannen zu können, und dass die Anlage ein stabiles Einstellen auch kleiner Unterdrücke um -0,1 bar ermöglichen sollte.


Und damit nun nicht jedes Mal für den Durchmesser eines zu spannenden Objekts mit dem Taschenrechner der geeignete Druckbereich ausgerechnet werden muss, habe ich eine Tabelle erstellt, die die Orientierung für den zu wählenden Unterdruck erleichtert:

Die Tabelle zeigt die Haltekraft in kp in Abhängigkeit vom Durchmesser an der Dichtung (in cm) und dem Unterdruck in bar.

Ich habe in der Tabelle Ansaugkräfte als "grün" markiert, die im Standardfall gut benutzbar sein sollten. "Rot" ist wahrscheinlich nicht praktikabel, da die Andruckkraft entweder zu gering für sicheres Halten, oder zu groß für zerstörungsfreies Spannen ist. "Gelb" stellt einen Übergangsbereich dar.

Die Farben dienen nur einer groben Orientierung ! Es muss immer im Einzelfall abgewogen werden, ob die Andruckkräfte im grünen Bereich wirklich anwendbar sind !!!

So könnte z.B. eine 20cm-Schale mit besonders dünner Wandstärke bereits von "absolut grünen" 30 kp völlig überlastet sein (= Totalzerstörung), während ein derbes Teil auch 300 kp ohne Stöhnen ertragen würde.


zu weiteren Funktionsgrenzen ...

...   einfach so   ...

...  und wieder physikalisch ...

Werkstückbeschaffenheit:

Das Werkstück muss sauber am Futter anliegen

und muss einigermaßen luftdicht sein.

Das Werkstück muss am Futterkörper auf einer geschlossenen, dichtenden Kontaktlinie anliegen.

Die Leckrate durch Poren und Risse muss vom Saugvermögen der Pumpe zu bewältigen sein.

Fliehkraft und Reibung:

Die oben besprochene Andruckkraft wirkt nur in Richtung der Spindelachse ! Sie benennt die Kraft, die nötig wäre, um das Werkstück in Spindelrichtung vom Futter zu reißen. Quer zur Spindel tritt meist eine Unwucht auf (sei es durch nicht exakt zentrische Spannung oder durch Inhomogenitäten im Werkstück) und damit entsteht eine Fliehkraft.

"Unwucht" bezeichnet hier eine außermittige Lage des Schwerpunktes des Werkstückes (bezüglich der Spindelachse).

Fliehkraft oder Zentrifugalkraft  Fl

Fl = m * w² * r

mit

  • m  =  Masse des Werkstücks
  • w  =  Winkelgeschwindigkeit (ist proportional der Spindeldrehzahl)
  • r  =  Abstand des Werkstückschwerpunktes von der Spindelachse

Eine Fliehkraft hat die Tendenz, die Unwucht zu vergrößern, was wiederum die Fliehkraft vergrößert ... wenn das in Gang kommt, gibt es Flugobjekte !!

Fl ist proportional zu r.

r ist proportional Fl.

Mit Erhöhung der Spindeldrehzahl wird das Problem richtig rasant.

Die Fliehkraft ist proportional dem Quadrat der Spindeldrehzahl.

Halbierung von w viertelt FL, Drittelung von w neuntelt Fl, ...

Ich erinnere mich noch an die Geschosse meiner alten Stöpselpistolen. Die waren auf einem glatten Untergrund viel leichter seitlich zu verschieben, als nach vorne abzuziehen. Und ein Vakuumfutter ist ja fast dasselbe wie ein Geschoßstöpsel (nur umgekehrt).

Eine (seitliche) Fliehkraft wird von der Reibung zum Untergrund gebremst.

Eine gut haftfähige Dichtmatte hält eine höhere Fliehkraft aus.

Erst, wenn die Fliehkraft die Haftreibung überwindet, kommt es zu einer Verschiebung des Werkstücks.

Die Dichtmatte sollte möglichst hohe Haftung zum Werkstück aufweisen.

Die Dichtmatte muss natürlich auch fest auf dem Futteruntergrund verklebt sein.

Die Reibungskraft ist proportional zur Andruckkraft, also sollte man mit hoher Andruckkraft arbeiten.

Hebelwirkung:

Hebelkraft * Hebelarm = konstant

Ein langer, schmaler Zylinder hält praktisch nicht auf dem Vakuumfutter.

Je weiter der Schwerpunkt des Werkstückes vor dem Vakuumfutter liegt, desto größer ist der Hebel, mit dem die Fliehkraft (am Schwerpunkt) angreift.

Je kleiner der Durchmesser des Kontaktrings am Vakuumfutter, desto kleiner der Hebel, mit dem das Werkstück vom Unterdruck festgehalten wird.

Ein flacher Teller hält prima auf dem Vakuumfutter.

Je näher der Schwerpunkt des Werkstückes am Vakuumfutter liegt, desto kleiner ist der Hebel, mit dem die Fliehkraft (am Schwerpunkt) angreift.

Je größer der Durchmesser des Kontaktrings am Vakuumfutter, desto größer der Hebel, mit dem das Werkstück vom Unterdruck festgehalten wird.

Eine schmale Dose oder ein Ei fliegt mir beim Drechseln ständig aus dem Futter; bei einem Teller passiert mir das nicht.

Im Prinzip geschieht hier etwas ganz ähnliches wie mit der Fliehkraft, die am Schwerpunkt angreift, nur dass hier das Drechseleisen eine Kraft auf das Werkstück ausübt und diese auch noch ganz an der Spitze des Werkstücks angreifen kann. Damit hann der Hebel noch größer sein.

In der Abbildung sieht man einen flachen und einen länglichen Körper mit einer Fliehkraft (schwarz) und der sich aus der gegebenen Geometrie ergebende Hebelarm (rot) und die dazugehörige Hebelkraft (rot). Diese will das Objekt aus dem Futter hebeln.

Beim flachen Objekt ist diese viel kleiner als die Fliehkraft, beim langen Objekt entspricht sie fast der Fliehkraft. Und auch der Hebelarm ist im rechten Fall deutlich größer, als im linken.

Die Darstellung für die Fliehkraft ist eigentlich viel weniger relevant, als die Krafteinwirkung durch ein Drechseleisen, sie ist aber leichter darstellbar (weil weniger komplex) und liefert dieselbe Grundaussage; die Wirkung des Drechseleisens ist allerding ungleich hefiger.

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